Zum Inhalt springen

„Hässliche Entlein“ – Q&A zur Ausstellung

„Hässliche Entlein“ im 70er-Jahre-Aufzug. Die Ausstellung befindet sich im 5. Geschoss des Pop-up Campus

Im Rahmen des Zukunft Bau Pop-up Campus wurde Platz geboten für die Fotoausstellung:

‚Hässliche Entlein‘. Nachhaltigkeit als Problem der Ästhetik.

Am 01.09.22 fand die Vernissage zur Ausstellung statt. Sie ist noch bis zum 09.09.22 in der Theaterstraße 92 in Aachen zu besichtigen.


Fotoausstellung ‚Hässliche Entlein‘. Nachhaltigkeit als Problem der Ästhetik. Projektplakat.
1. Das übergeordnete Thema des “Zukunft Bau – Pop-up Campus” ist die “Bauwende”. Was versteht Ihr unter dem Begriff “Bauwende”?

Als allererstes: Erhalten statt neu bauen. Die größte Ressource, der Bestand, muss erhalten, umgenutzt und nachverdichtet werden, bevor wir kreislaufgerecht und klimapositiv neu bauen.

2. Auf welche Weise kann die ästhetische Wertschätzung von Architekturen zu klimapositiven Entwicklungen beitragen?

Nicht nur der Bestand, sondern auch der Neubau als Umnutzung und Verdichtung hat ein Image-Problem. Die aktuelle Bilderwelt in der Architektur vermarktet immer noch größtenteils hoch technologische Stahl-Glas-Beton Neubauten. Eine andere Bilderwelt und die ästhetische Wertschätzung bereits vorhandener, verdichteter und klimapositiver Architektur, kann also auch zu einer attraktiven und erstrebenswerten Wahrnehmung von nachhaltiger Architektur und damit zu einer klimapositiven Entwicklung beitragen.

4. Die Ausstellung scheint zu vermitteln, dass die Begriffe “hässlich” und “erhaltenswert” nicht zwangsläufig widersprüchlich sind. Stimmt das? Wie würdet Ihr diese Beziehung beschreiben?

Sie gehören vielleicht sogar zusammen. Die Wahrnehmung von Architektur verändert sich innerhalb von Jahrzehnten. Architektur einer bestimmten Stilepoche kann vernachlässigt und sogar vom Abriss bedroht sein, Jahrzehnte später jedoch wieder geschätzt werden. ‚Hässlichkeit‘ ist ein vollkommen subjektives Kriterium, das kein Maßstab für die Beurteilung von Architektur sein sollte. Im Sinne der Nachhaltigkeit ist daher jedes Gebäude erhaltenswert.

6. Ist die Kategorisierung von Gebäuden in das Begriffspaar hässlich-schön legitim? Welche Vorteile und Gefahren birgt dieses Bewertungsschema?

Natürlich sind hässlich und schön legitime Kategorien. Das ist aber nicht der springende Punkt unserer Fotoausstellung. Es geht nicht darum, die Gebäude in Kategorien einzuteilen, sondern darum, für eine differenzierte Wahrnehmung zu sensibilisieren und eine Diskussion über die Kategorien und die gezeigten Gebäude anzustoßen. Dazu kann dann Stellung genommen und diese mit Bildern dokumentiert werden. Der Begriff „hässlich“ ist hier vor Allem eine Provokation, die zum Nachdenken über Architektur anregen soll.

7. Im Gegensatz zu den sonst eher negativ besetzten Metaphern für vergangene Großstrukturen der 70er und 80er Jahre, wie “Dinosaurier” oder “Riesenmaschine”, ist das “Entlein” eher verniedlichend. Sollten wir dem „Elefanten im Raum“ – dem geerbten Bestand – positiver begegnen oder ihn weniger ernst nehmen?

Wir sollten ihn sogar ernster nehmen. Den „Hässlichen Entlein“ kann mehr zugetraut werden als auf den ersten Blick ersichtlich. Anstatt sie ungeachtet der Abrissbirne zum Opfer fallen zu lassen, sollten wir über sie diskutieren und die architektonischen Qualitäten schätzen lernen.

8. Zwischen dem Ästhetikverständnis innerhalb räumlicher Disziplinen und dem der breiten Öffentlichkeit scheint es stellenweise Differenzen zu geben. Wie kann man damit umgehen?

Das aufmerksam machen und die Konversation sind das Ziel. Dafür eignet sich der Pop-up Campus gut, da unterschiedliche Zielgruppen angesprochen werden. Zum Beispiel waren auch viele Mitarbeitende der Stadt Aachen, insbesondere des Baudezernats, vor Ort und hatten in der Ausstellung die Möglichkeit, die Objekte, mit denen sie sich täglich beschäftigen oder in denen sie sogar arbeiten, in einem anderen Licht zu sehen. Und auch wenn die Gebäude danach immer noch als ‚hässlich‘ empfunden werden, ändert sich vielleicht die Bereitschaft, sie auch aus anderen Blickwinkeln zu betrachten und eine Neubewertung vorzunehmen. Das Sichtbarmachen durch das Werkzeug der Fotografie kann folglich einen wichtigen Beitrag zur Diskussion über und Erhaltung von Architektur beitragen.


Antworten von: Dr. phil. Birgit Schillak-Hammers und Leonie Bunte M.Sc.

Fragen und Blogeintrag von: Marlon Brownsword M.Sc.
Fotografie von: David Herrmann B.Sc.

Projektbeteiligte: RWTH Aachen University, Fakultät für Architektur, Lehrstuhl für Kunstgeschichte, Prof. Dr. Alexander Markschies, Dr. Birgit Schillak-Hammers, Leonie Bunte M.Sc., FH Bielefeld, Prof. Roman Bezjak und Studierende der RWTH Aachen University.